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08.02.2014 18:04

Isoliert in der Psychiatrie? Linke-Politiker Dennis Stephan für krank erklärt und Monate weggesperrt: Generelles Kontaktverbot vor Prozeßbeginn?

Isoliert in der Psychiatrie

Linke-Politiker Dennis Stephan für krank erklärt und Monate weggesperrt: Generelles Kontaktverbot vor Prozeßbeginn

Von Gitta Düperthal

Skandalöse Vorfälle im Vorfeld eines Prozesses, der am heutigen Freitag am Landgericht Gießen beginnt: Der Linken-Politiker Dennis Stephan, zeitweise bei Pro Asyl engagiert, ist für mehr als drei Monate zwangsweise in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht. Mit Rainer Gliemann hat er dort ausgerechnet einen Gutachter mit zweifelhafter Vorgeschichte. Der machte Schlagzeilen, weil er den Abschiebebehörden als Arzt galt, der fast immer »Flugtauglichkeit« bescheinigte. Eine »Fremdanamnese« habe er vorgenommen, empörte sich Stephans Anwalt Thomas Saschenbrecker gegenüber junge Welt. Sein junger Mandant, er ist Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke im Kreistag Gießen, sei ohne eigene Einwilligung begutachtet worden und »ohne ihn gesehen oder mit ihm gesprochen zu haben«. »Ihm wurde prompt eine Psychose bescheinigt«. Dies sei »eine starke Vorverurteilung, ein tendenziöses Gutachten zu Lasten meines Mandanten«, konstatierte der Anwalt.

Ebenso entsetzt ist Stephans Vorsorgebevollmächtigte, die Psychologin Andrea Jacob. Der Gutachter habe ihr unzutreffende Behauptungen in den Mund gelegt, »nur um sein falsches Gesundheitszeugnis zu begründen«. Im Zusammenhang mit Dennis Stephans Erkrankung habe sie immer nur von einer kurzzeitigen »von Marihuana induzierten Psychose« gesprochen, nie von jener »völlig aus der Luft gegriffenen angeblichen paranoiden Schizophrenie«, mit der der Gutachter monatelanges Wegschließen in der Klinik für forensische Psychiatrie in Haina habe rechtfertigen wollen. Beim Prozeß, der am 28. Oktober und 4. November fortgesetzt werden soll, geht es um den Tatvorwurf der Brandstiftung. Die Beweisführung der Staatsanwaltschaft sei dünn, erläuterte Saschenbrecker. Psychologin Jacob erinnerte sich im Gespräch mit jW: Ein Polizist habe sie angerufen und mitgeteilt, der kleine Schwelbrand im Badezimmer sei nicht der Rede wert gewesen, man fahre nun wieder weg. Ursache hierfür seien mutmaßlich versehentlich weiterglimmende Räucherstäbchen gewesen, die Stephans Lebensgefährtin offenbar an einem ungünstigen Platz positioniert habe, bevor sie mit ihm zusammen die Wohnung verließ. An einem Prozeßtag wird auch Gustl Mollath als Beobachter dabeisein, der die Situation, zu Unrecht weggesperrt und für verrückt erklärt zu werden, am eigenen Leib hat erleben müssen. Am Freitag vergangener Woche eskalierte die Situation vor dem Prozeßbeginn. Als junge Welt den Linken-Politiker anrufen will, um ihn zu seinem Fall zu befragen, heißt es: Kontaktsperre bis zur Hauptverhandlung – keine Telefonate, keine Besuche, Anweisung von oben. Klinikchef Rüdiger Müller-Isberner habe dies verfügt. Zu sprechen sei er nicht, um diese Maßnahmen zu begründen. Und es kommt noch toller: Stephans Vorsorgebevollmächtigte erhält »Hausverbot«, unter anderem wegen Äußerungen, die sie gegenüber jW im Zusammenhang mit einem Interview (9. Oktober 2013) mit dem Anwalt Saschenbrecker gemacht habe. Sie nimmt es mit Galgenhumor: »Hausverbot in der Forensik? Na ja, dann werden die mich auch nicht dort reinstecken«. Der Anwalt beklagt, mit fadenscheinigen Vorwänden auf Abstand gehalten zu werden. Die Kontaktsperre sei eine »mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht mehr zu vereinbarende Beschränkung des Beschuldigten«, der sich nun auf seine Hauptverhandlung nicht vorbereiten könne. Was gibt es zu verbergen, daß man so heftig bemüht ist, den Linken-Politiker komplett aus dem Verkehr zu ziehen? Saschenbreckers Vermutung, es könne dabei um politische Hintergründe in Bezug auf einen unbequemen Kritiker im Ältestenrat des Kreistags gehen, dementierte der dort für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Thomas Euler: Der Linken-Politiker habe im Ältestenrat des Kreistages in Gießen im Frühjahr keinen Antrag gestellt, daß alle Abgeordneten, die vor 1945 NSDAP-Mitglieder waren und bereits das Alter von 18 Jahren erreicht hatten, namentlich benannt werden sollten. Allerdings habe er verschiedentlich Anträge angekündigt, räumte Euler auf jW-Nachfrage am Mittwoch ein. Mit Überzeugung behauptete er aber, Stephan sei »krank und wirr«. »Irgend­etwas muß gewesen sein«, ist sich hingegen Saschenbrecker sicher.

Beim Fraktionsvorsitzenden der Linken selber kann bis zur Hauptverhandlung niemand nachfragen: Er ist isoliert. Als dessen Lebensgefährtin ihn am Mittwoch besuchen will, ist das Tor geschlossen. Personal habe sich auf sie gestürzt, um Personalien zu kontrollieren, sagte sie.

Kurz vor Redaktionsschluß hat das Landgericht Gießen einem Eilantrag des Rechtsanwalts stattgegeben, nach dem die Kontaktsperre aufzuheben sei – ausdrücklich auch gegenüber der Vorsorgebevollmächtigten. Die Psychologin ist jedoch fassungslos: Als sie erneut am Donnerstag in der Forensik anruft, habe ihr ein Pfleger mitgeteilt, die Anweisung von oben bestünde trotz des Gerichtsbescheids weiter. Für sie ist Dennis Stephan weiterhin nicht erreichbar.

 

Hauptverhandlung Strafsache Dennis Stephan, am heutigen Freitag, 9 Uhr, Landgericht Gießen, Saal 227
08.02.2014 17:54

Schikanen und Quälereien in den geschlossenen Psychiatrien in Hessen (Haina und Gießen) und anderswo

Dennis-Stephan-Prozess: Willkür durch Justiz und Psychiatrie wird immer deutlicher! Kritiker_innen kündigen Demonstration zur Vitosklinik an

von Jörg Bergstedtam 19.01.2014228 mal gelesen2 Kommentare

Gießen | Immer deutlicher treten Ungereimtheiten im Strafprozess gegen den Linkenpolitiker Dennis Stephan zutage. Schon am 23.12. des vergangenen Jahres führte die Vernehmung von ZeugInnen rund um den Autounfall am Pfingstmontag 2013 zum deutlichen Verdacht, dass der Fahrer des Wagen, der Dennis Stephan überfuhr und schwer verletzte, dieses aus der Wut heraus absichtlich tat, riefen nun Aussagen der PolizeibeamtInnen, die den Linkenpolitiker nach dem zur Anklage führenden Schwelbrand verhaften, zu erheblichem Unmut im Publikum.

Höhepunkt war die Aussage des Polizeibeamten Fett. Er wähnte sich von Beginn an auf .der Jagd nach einem gefährlichen Verrückten, konnte als Grund für diese Annahme aber nur Informationen aus dem Polizeifunk benennen. Den von ihm selbst als „harmlos“ wirkenden, auf einer Bank sitzenden Gesuchten drohte er sofort den Einsatz von Pfefferspray an.
Auch dazu konnte er auf Nachfrage keinen Grund benennen. Die Frage des Angeklagten, was dieser hätte tun können, um der Drohung zu entgehen, verstand der Polizist zunächst mehrfach nicht und antwortete dann „Nicht da sein“. Auch für die Einlieferung in die Psychiatrie fiel dem Beamten kein Grund ein.

Erstmals wird der bisherige Verlauf nun zu öffentlichen Protesten auf der Straße führen. „Wir wollen nicht länger einfach nur fassungslos dabei sitzen“, formulierte es eine Besucherin der letzten Verhandlung am 14. Januar, als Gießener PolizistInnen berichteten, wie die Festnahme und Einweisung von Dennis Stephan in die Psychiatrie vor einigen Monaten ablief. Die Vielzahl von Meldungen weiterer Personen, die über Rechtsbrüche, Schikanen und Quälereien in den geschlossenen Psychiatrien in Hessen (Haina und Gießen) und anderswo berichten, erhöhte den Wunsch, sich öffentlich zu zeigen.
Einen ersten Anfang soll ein Protestgang am Dienstag, 28.1., durch Gießen bilden. Start ist nach Abschluss des nächsten Verhandlungstages gegen 12 Uhr das Landgericht Gießen. Enden soll der Protestzug auf dem Gelände der Vitosklinik, wo auch Dennis Stephan einige Zeit festgehalten wurde. Allerdings soll die Kritik nicht auf die Psychiatrien beschränkt bleiben. „Diese Welt ist durchzogen von Institutionen, die Menschen in Normen pressen und ihr Verhalten an die Bedürfnisse der Profitwirtschaft anpassen wollen“, begründet Jörg Bergstedt, der den Protestgang als Demonstration anmeldete. Zwischenkundgebungen soll es unter anderem am Gießener Gefängnis, an der Arbeitsagentur, an Rathaus und Polizeistation geben. Eingeladen sind alle Menschen, die ihren Unmut über Kontrolle und gleichgeschaltetem Verhalten kundtun wollen. Ab 11.30 Uhr wird es am Landgericht (Ostanlage) Musik und Redebeiträge geben.

Der Angeklagte Dennis Stephan zwischen Anwalt und Unterstützerin

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Niko Schmidkunz erklärt, dass die eigentlichen Fehler schon früher passiert sind.

Den Ärzten auf der Spur: Dr. Hermann Otto Solms, Andrea Kaup, Rainer Groll, Wolfgang Greilich, Oliver Bechtler und Andreas Becker.

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Für die Bekämpfung des vielfach beklagten Ärztemangels in Deutschland...

Heike Nocker-Bayer
263 Heike Nocker-Bayer aus Gießen schrieb am 21.01.2014 um 00:54 Uhr

Lieber Herr Bergstedt,
ich verfolge Ihre Beiträge mit großem Interesse. Gustl Mollath kommt mir immer wieder in den Sinn. " Das Muster des juristischen Procedere wiederholt sich.
Haben Sie die Autoren des Bayrischen Rundfunks schon kontaktiert? Auch Spiegel Online wäre eine gute Anlaufstelle.

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08.02.2014 17:10

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